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Wittstock
Es wird eine Reise voller Überraschungen. „Ich weiß nicht, was mich erwartet. Vielleicht sind auch gar keine jungen Männer da, weil sie im Krieg kämpfen, aber ich komme mit allem klar, kann mich auf alles einstellen“, sagt Norbert Höpfer.
Er bricht in Kürze zu einer ganz besonderen Hilfsaktion in die Ukraine auf. Vom 26. Mai bis 8. Juni reist er nach Pervomaiske, Oblast Mykolajiw, nur etwa 30 Kilometer von der Front entfernt.
Das Ziel: Er will gemeinsam mit ein oder zwei Helfern aus Deutschland und natürlich den Bewohnern vor Ort ein stark beschädigtes Gemeindehaus in nachhaltiger und ökologischer Bauweise reparieren.
Seit mehr als drei Jahren wehrt sich die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Leid und Zerstörung sind an der Tagesordnung. Gleichzeitig rückt der Wiederaufbau in den Fokus. Denn wenn irgendwann die Waffen schweigen, muss das Land die Kriegsschäden beseitigen.
Norbert Höpfer ist Experte auf dem Gebiet des ökologischen Bauens
Kaum jemand bündelt so viel Wissen rund um nachhaltige Bauweise wie Norbert Höpfer. Der Baustoffentwickler und Diplom-Mineraloge – Jahrgang 1962 – betreibt in Zempow eine Hanfsteinmanufaktur.
Er schuf bereits 1999 einen Kalkputz zur Schimmelsanierung und 2006 erste Hanfkalk-Mischungen, arbeitete in Israel und Palästina; gab Workshops rund um Agrarbeton aus Lehm- und Pflanzenresten in Ruanda und arbeitete 2023 und 2024 im Hanf-Projekt des Landschaftspflegeverbandes Prignitz-Ruppiner Land (LPV) mit.
In der Ukraine wird er den Bewohnern mit seinem Fachwissen zur Seite stehen und ihnen zeigen, wie Häuser gut, günstig und nachhaltig gebaut oder repariert werden können – mit Materialien wie Hanf, Stroh, Lehm oder Schilf.
„Wir müssen schauen, welche Voraussetzungen wir vorfinden und wie wir das Ganze umsetzen“, sagt Höpfer. Er möchte nur die wichtigsten Werkzeuge und Hilfsmittel mitnehmen, denn die Bewohner sollen später aus eigener Kraft weitermachen können – mit dem, was vor Ort vorhanden ist.
Pilotprojekt Home Hope – Nadija unterstützt Ukraine
Hinter dieser Hilfsaktion steht das deutsch-ukrainische Pilotprojekt „Hope Home – Nadija“. Letzterer Begriff ist im Ukrainischen nicht nur ein Frauenname, sondern bedeutet auch „Hoffnung“. Genau die soll mit der Unterstützung beim Wiederaufbau Einzug halten. Und Norbert Höpfer gehört zum Kernteam von „Hope Home – Nadija“, das insgesamt sechs Personen umfasst und von einer Reihe von Helfern unterstützt wird.
Initiatorin ist die Psychologin und Kultur- und Hochschulmanagerin Adrienne Goehler. Ihre Vision: Ein Pilotdorf schaffen, das eine internationale Resonanz erfährt und andere ermutigt, selbst darüber nachzudenken, wie der Wiederaufbau mit der Nutzung vorhandener Ressourcen gelingen kann. Zudem solle das Projekt Wissenschaft, Architektur, Landwirtschaft und Kunst mit lokalen Unternehmen und Universitäten verbinden.
Seit dem Start im Dezember 2024 sind bereits verschiedene Workshops und Kooperationen zustande gekommen. Im Februar wurde vor Ort in der Ukraine ein Labor für Pilz als Baustoff und Neutralisierer von toxischen Kriegstrümmern eröffnet.
Eine Alternative zur Betonbauindustrie
Das Pilotprojekt im ökologischen Bauen ist ein weiterer Schritt. „Wir haben uns für das Reparieren und den Neubau in ländlicher Struktur entschieden, weil sie sich im Windschatten des Kartells der Betonbauindustrie befindet und weil wir dort vor Ort die Materialien und das Wissen finden, um an alte Kulturtechniken anzuknüpfen“, sagt sie.
Die Ukraine besteht zu rund 70 Prozent aus dörflichen Strukturen und gilt als Kornkammer Europas. Stroh als nachwachsender Baustoff ist also vorhanden.
„Hope Home – Nadija“ werde komplett aus Spenden finanziert, weshalb Norbert Höpfer und seine Helfer aus Deutschland nur mit einem „sehr geringen“ Betrag entschädigt werden können. Ihr Einsatz solle aber exemplarisch zeigen, was möglich ist. Im besten Fall könnte die Hanf-Bauweise skalierbar sein – also weitere Kreise ziehen.
Dass die Wahl für das Hilfsprojekt ausgerechnet auf den Ort Pervomaiske in der Oblast Mykolajiw fiel, habe daran gelegen, dass die Projektleiterin aus dieser Gegend stammt, erklärt Adrienne Goehler. Die Mykolajiw-Region wurde im Frühjahr 2022 von den Russen besetzt und im Herbst von den Ukrainern zurückerobert. Heute sind dort fast alle Häuser beschädigt, die meisten gar unbewohnbar.
Er ist ein positiv verrückter und wahnsinnig erfahrener Mensch in ökologischer Bauweise.
Initiatorin Adrienne Goehler über Norbert Höpfer
Angst vor der Arbeit in einem Kriegsgebiet hat Norbert Höpfer nicht. Die Umstände sind ihm nicht neu. Schon in Tel Aviv habe er vor einigen Jahren eine Baustelle betreut – „mit Beschuss aus Gaza. Wenn die Sirene geht, hat man noch ein bis zwei Minuten, um sich in Sicherheit zu bringen“, erinnert er sich. Dennoch blieb er pragmatisch. „Meine einzige Befürchtung war, dass Ausrüstung und Werkzeug weg sein könnten, wenn ich zurückkomme.“Über seinen Einsatz in der Ukraine sagt er: „Wenn wir es schaffen, ein paar Leute vor Ort davon zu überzeugen, diese Bauweise zu ihrem Thema machen, haben wir schon einiges erreicht.“ Der Anfang wäre gemacht.
MAZ

GLS Bank Magazin, 18. Dezember 2024
Mut für einen nachhaltigen Wiederaufbau in der Ukraine
